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audi cup

Titel für Sponsor und Ego—wie Fantasie-Cups das Testspiel verdrängten

Audi-Cup, Telekom-Cup, Cup der guten Hoffnung—geht es noch eine Ecke aufgeblähter?
Foto: Imago

Während die goldene Konfettischauer durch den Arenahimmel fliegt, jubeln die Helden mit der silbernen Trophäe auf dem Platz. Die Spieler springen, es werden Selfies geschossen und die Fans auf der Tribüne gegrüßt. Die Jubelbilder lenken einen kurzen Moment davon ab, dass die Arena mit den Audi-Ringen zugekleistert ist und der gestrige 1:0-Erfolg von FC Bayern München über Real Madrid eigentlich nur ein schnöder Testspielsieg war. Es gab keine Bierduschen, keine Ehrenrunden. Nach wenigen Minuten ist der Spuk auch schon vorbei. Der FC Bayern hat den Audi-Cup gewonnen, das Turnierchen, dass der Premiumsponsor organisiert hat. In der Kabine zeigen sich die Neuzugänge um Vidal und Costa mit dem silbernen Pokal sichtlich erfreut mit ihren neuen Kollegen. Jerome Boateng schickte gleich noch halbnackte Grüße mit einem Siegerlächeln in die ganze Welt hinaus. Die nackte Wahrheit ist aber: Dieser Pokal hat keinen Wert und macht genauso so wenig Sinn wie die hundert anderen Fantasie-Pokale, die die Sommerpause fluten.

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Winner of the #AudiCup2015 #MiaSanMia @FCBayern ?"?⚪️ pic.twitter.com/BMUdb8W4YT
— Jerome Boateng (@JB17Official) 5. August 2015

Das Prinzip internationale Freundschaftsspielen in der Sommerpause zu Pokalspielen zu pimpen, gibt es schon seit den 1960er Jahren. Der Intertoto-Cup, später UI-Cup, wurde nur ins Leben gerufen, um in der Sommerzeit Spiele für die nationalen Toto-Gesellschaften anbieten zu können. Die Absicht an den Sportwetten Geld zu verdienen, war ein offenes Geheimnis. Später konnte der Sieger durch den mühevollen Gewinn sogar in den UEFA-Cup einziehen. Doch das Image ging flöten. Der Kick verkam zum „Strohhalm-Cup" oder „Cup der guten Hoffnung" und 2009 war endgültig Schluss.

Das Erfinden von internationalen und nationalen Pokalen hat Jahre später weiterhin Hochkonjunktur. Eine verschnaufende Vorbereitungsphase für Fans und Spieler ist nicht mehr interessant. Aus dem müden Vorbereitungskick auf einem Dorfplatz wird ein durcheventisiertes Freundschaftspiel mit ausverkauften Stadien, Pokalübergabe und Konfettiregen. Vorbereitungsturniere wie der Fuji- oder Casio-Cup sind wie der Ligapokal gerade vergessen, schon sprießen neue Pokalideen überambitionierter Großsponsoren wie Unkraut aus dem Boden. Mannschaften, die sonst titellos bleiben, können hier auch mal ein Metall-Irgendwas hochreißen. Der HSV gewann vor ein paar Wochen den Telekom-Cup, der 1. FC Köln holte den selbstorganisierten Colonia-Cup und der VfL Wolfsburg musste sich beim Emirates Cup in London Arsenal und Villareal geschlagen geben.

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Je größer die Mannschaft ist, desto mehr Pokale, Sympathiewerte und Geld gibt es für Sponsor, Verein und Spieler zu gewinnen. Seit zwei Jahren können die europäischen Topvereine in den Fußball-Schwellenländern Australien, China und den USA um den „International Champions Cup" mitspielen. Es ist der Superbowl der Vorbereitungsturniere. Teilnehmer sind Real Madrid, Paris St. Germain oder Manchester United. Versprochen werden jede Menge Stars, Traumtore und noch mehr Entertainment. Erfunden hat das Turnier die Investment-Firma von Milliardär Stephen Ross, der zum Spiel von Real gegen United 109.318 Zuschauern ins Michigan Stadium lockte. Der Fußball boomt und soll möglichst ganzjährig ausgeschlachtet werden.

0-0: Real Madrid win the International Champions Cup China http://t.co/sOhcNoARYd #RMTour2015 pic.twitter.com/z7SAQdKtmM
— Real Madrid C.F. (@realmadriden) 30. Juli 2015

Die Zuschauer spielen mit. Unendlicher Konsum ohne Sättigkeitsgefühl. Schließlich will niemand in der Sommerpause auf den Lieblingsverein oder den Fußball der Mega-Stars verzichten. Immer nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Ein neues Publikum kann das Stadion erforschen, Tickets gibt es genügend. Dauerkartenbesitzer bleiben meist zu Hause, Touristen und internationales Eventpublikum strömen in die Arenen. Die Stimmung ist mau. Wenn dann auch noch vier Mannschaften an einem Tag spielen, kommt kein einziger Fangesang zustande. Im besten Fall geht bei einer Einwechslung eines Starspielers mal ein Raunen oder verhaltenes Klatschen durch das weite Rund. Die mit unbekannten Jugend- und Amateurspieler gefluteten Mannschaften, die Taktikspielereien der Trainer und die Massenauswechslungen zur Halbzeit sind eigentlich absolute Stimmungskiller, doch ein möglicher Pokalgewinn hält dagegen. Er soll suggerieren, dass das Spiel eine Bedeutung hat.

Zuschauer und Fans scheinen es zu lieben. Trotz trägem Spiel verfolgten 6,32 Millionen Zuschauer die Partie zwischen Real und Bayern beim Audi-Cup—über 400.000 mehr als am Abend zuvor das Spiel der Bayern gegen den AC Mailand. Der Audi-Cup war damit sogar gefragter als der DFL-Supercup, der 5,76 Millionen Zuschauern vor die Bildschirme lockte. Andere Sportarten oder Fernsehsendungen können selbst bei ihren Jahrenshauptevents von solchen Zahlen träumen. Das Schaulaufen für Sponsoren, Verein und Spieler-Marken lohnt sich also, trotz niedrigem sportlichen Wert.

Der Wettkampfgedanke scheint weiterhin garantiert. "Es ist immer besser, zu gewinnen. Das ist im Fußball so", erklärte Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer gestern im ZDF. Er wusste, dass die Niederlage im Supercup, der einzige halbwegs offizielle Titel in der Vorbereitung, noch nachhallt. „Wenn du in einem großen Verein verlierst, ist es ein großer Titel, wenn du gewinnst, ist es ein kleiner Titel.", erklärte Pep Guardiola treffend. Er konnte den Titel auch im dritten Jahr in Folge nicht gewinnen. Insgesamt haben die Bayern eine miese Fantasie-Pokal-Quote. Neben der Niederlage im Supercup, verlor der Rekordmeister auch auf der China-Reise im Elfmeterschießen das Finale des „Guangzhou Volkswagen Cups". In der nächsten Sommerpause geht es dann weiter.

Das schnöde und doch so schöne Testspiel wird in den nächsten Jahren den neuartigen Pokalen weichen müssen. Damit die Vitrine weiterhin mit Plastik-Pokalen gefüllt wird. Das vereinsinterne Ego will schließlich gestreichelt werden.

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